Von Fehlern lernen ... eine bedeutungsvolle Aussage

04. September 2020 11:02

Der richtige Umgang mit Fehlern wird oft angemahnt und selten praktiziert, schreibt Manuel Flury-Wahlen. Im Gegenteil: Fehler werden dauerhaft bestraft, Erfolge rasch vergessen. Das zeigt der öffentliche Umgang mit dem Bundesamt für Gesundheit. Es geht aber auch anders.

von Manuel Flury-Wahlen

Mit gross aufgemachten Schlagzeilen streichen verschiedene Medien in diesen Tagen und Wochen die Fehler des Bundesamtes für Gesundheit BAG in der Bewältigung der Coronakrise hervor. Die ganze Bevölkerung hat es erfahren: Das BAG hat drei Tage, nachdem es seine Angaben zu den wichtigsten Übertragungsorten des Coronavirus veröffentlichte, diese korrigiert. Das Amt hat sich für den Fehler entschuldigt. Für diese Kommunikation und die Verbesserung hat das BAG nun jedoch nicht Komplimente für vorbildliches Fehlerverhalten erhalten. Im Gegenteil. Die Rufe nach Skandal standen im Vordergrund und der Gesundheitsminister höchst persönlich musste das „bashing“ entgegennehmen. Wie in diesem Fall wird in vergleichbaren Fällen oft gefordert, das Fehlverhalten „schonungslos aufzudecken“ und die Verantwortlichen „zur Rechenschaft zu ziehen“ Leisere Töne sind hingegen, wenn überhaupt, zu vernehmen, wenn verbesserte Lösungen eingeführt werden oder sich die Fehler als nicht gravierend entpuppt haben. 

Wie steht es im beruflichen Alltag? Wer erhält für eine verbesserte Lösung ein Lob, eine bessere Beurteilung oder gar eine Lohnerhöhung? Oder bleibt es bei einer schlechteren Beurteilung, eben wegen eines Fehlers? „Nur wer nichts tut, macht auch keine Fehler“, wird etwa salopp gesagt. Dies lädt kaum dazu ein, etwas aktiv zu tun und innovativ zu sein, im Wissen, dass dabei auch Fehler passieren können. 

Seit mehr als zehn Jahren veröffentlicht der kanadische Arm der Engineers without borders ihre jährlichen „Failure Reports“, Berichte über Misserfolge. „Failure – causes of failure – lessons learned”, dies das simple Muster dieser Berichte. Kein Partner dieser Organisation hat ihr deswegen seither die Unterstützung resp. Aufträge entzogen. Zwei Absichten verfolgen die Engineers without borders mit ihren Berichten. Zum einen: Fehler und das, was daraus gelernt wurde, hervorheben und, noch wichtiger, zum zweiten einen Dialog über die Herausforderungen ihrer Arbeit führen. Aus Fehlern lernen, um Dinge besser zu tun, dies ist das Motto der Ingenieure ohne Grenzen in Kanada.

„Aus Fehlern lernen“ ist eine Standardaussage im betrieblichen (Wissens-)Management. „Fehler sind Chancen“, ist ein Gemeinplatz im Alltag. Trotzdem: Sind Fehler nicht oftmals Flecken im Reinheft? Bleiben im viel zitierten Elefantengedächtnis die Fehler und Versäumnisse nicht besser haften als Erfolgsgeschichten? Meine Erfahrungen als Verantwortlicher für Wissensmanagement lehren mich: Fehler bleiben im institutionellen Gedächtnis länger haften als ausserordentliche Leistungen, Fehler eingestehen ist nur selten eine Tugend und kaum jemals werden Mitarbeitende ausgezeichnet, die aus fehlerhaftem Vorgehen eine erfolgreiche, weil bessere Lösung entwickelt haben.

Die Engineers without borders in Kanada stellen klar: Sie nehmen Fehler bei der Verfolgung ihrer Ambitionen nicht auf die leichte Schulter. Die Organisation ist aber überzeugt, dass ein gewisses Mass an Misserfolg unvermeidlich ist, wenn experimentiert und neue Dinge ausprobiert werden sollen. Frühzeitig erkennen, wo Anstrengungen fehlschlagen, und das Gelernte anwenden, um sich kontinuierlich zu verbessern, dies ist der Schlüssel zum Erfolg. Es ist gleichzeitig Ausdruck der Verantwortung, das Versagen so produktiv wie möglich zu gestalten, das heisst, die Konsequenzen zu minimieren, so dass der Wert des Gelernten die Kosten des Fehlers aufwiegt.

Eine Fehlerkultur leben bedeutet Fehler als Chance zu erkennen und das aus Fehlern Gelernte - die verbesserte oder bessere Lösung - zu würdigen. Wie halten wir es mit unseren Kindern? Wir hacken nicht auf ihren Fehlern herum, so dass sie in Angst aufwachsen. Nein! Wir loben sie für ihre Erfolge, ihre Fortschritte und stärken auf diese Art ihre Eigenständigkeit. Genauso schätzen wir es als Erwachsene, für das – auch aus Fehlern – Gelernte Respekt und Wertschätzung zu erfahren. Genauso können Unternehmungen, private wie staatliche, in ihrem konstruktiven Umgang mit Fehlern und Messerfolgen gestärkt werden, statt sich am öffentlichen Pranger zu finden und einen nächsten Fehler möglichst schön zu reden oder gar zu verheimlichen.

Manuel Flury-Wahlen ist ausgebildeter Geograph, pensionierter Mitarbeiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und Grossvater. Er bleibt an allen Zukunftsfragen interessiert, ist Berater in Fragen der Internationalen Zusammenarbeit und einer sozial und ökologisch verantwortlicheren Schweiz.

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