Lassen Sie uns gemeinsam die verändernde Kraft der Kultur sichtbar machen

27 Februar 2025 09:18

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Die Gegenwart ist geprägt durch kollektiven Rückschritt und geopolitische Unsicherheit. Kulturelle Einrichtungen sind mit zunehmendem finanziellem Druck und steigender Komplexität konfrontiert. Sie müssen daher aktiv ihren Wert für die Gesellschaft behaupten, schreibt Raphaël Brunschwig, CEO des Locarno Film Festivals.

In Locarno sind wir stolz darauf, mehr als nur Filme zu zeigen. Unser Festival ist zu einem zentralen Raum für den kritischen kinematographischen Dialog geworden. Wir können uns dabei auf eine bald 200 Jahre alte Kultur der direkten Demokratie, der Neutralität, der bewussten Schaffung von Konsens und der Vermittlung stützen, die so prägend für die Schweiz ist.

Unsere Vision stützt sich auf ein Verständnis, dass Kultur mehr ist als Unterhaltung. Sie muss die Wahrnehmung und die Sinne des Publikums ansprechen – nicht, indem wir Sensationen aufputschen, sondern indem wir eine aktive Rolle in der Gestaltung des gesellschaftlichen Nachdenkens spielen. Wir wollen dabei nicht einfach Prinzipienerklärungen abgeben, sondern mit wirkungsmächtigem Inhalt zur Debatte beitragen.

Die Landschaft, in der wir uns bewegen, ist geprägt durch einen Wandel des Publikumsverhaltens, durch das Verschwinden eines ganzen Systems, auf das wir uns abstützen konnten, ja durch eine Medienkrise, welche die Verbreitung kultureller Inhalte trifft. In dieser Landschaft wollen wir mit Innovationen neue Zielgruppen ansprechen und für den Dialog gewinnen. Wir setzen dabei auf einen kleinteiligen, publikumszentrierten Ansatz, der Herausforderungen umwandelt in neue Chancen für Wachstum und kulturelle Bereicherung.

Die Debatte über die Sicherung der kulturellen Lebendigkeit ist nötiger denn je. Unsere Errungenschaften sind nicht garantiert. Wir müssen über die blosse Selbstrechtfertigung hinaus – warum wichtig ist, was wir machen – zu einer dauerhaften Bestätigung unserer Relevanz kommen.

Wir haben die kulturellen Werte zu lange gegenüber Geldgebern und Granden eines nun zusammenbrechenden Systems rechtfertigen müssen. Aber Kultur lebt nicht durch Rechtfertigung, sondern durch starke, originelle, vitale Ausdruckskraft. Wir müssen die Zukunft aktiv gestalten, nicht nur unseren Platz darin verteidigen. Festivals wie das in Locarno müssen Orte der Bestärkung sein, Brücken zwischen Gruppen, die sich für eine vernetztere und einfühlsamere globale Gesellschaft einsetzen.

Kultur muss nicht um Relevanz bitten. Sie muss diese Relevanz behaupten. Sie muss etwas Starkes, Neues, Originelles bieten – eine Kraft, die sowohl spürbar ist als auch verändern kann. Wer sich rechtfertigt, hat schon verloren. Wir brauchen eine Sprache der Schöpferkraft, die nicht Raum sucht, sondern ihn definiert.

Lassen Sie uns dieses Gespräch in Locarno und über alle kulturellen Einrichtungen hinweg fortsetzen. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um die verändernde Kraft der Kultur spürbar zu machen.

Raphaël Brunschwig ist CEO des Locarno Film Festivals.

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