Fürsorge und Verantwortung müssen in Unternehmen zusammenwirken
28 April 2025 09:32
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Als Unternehmerin bin ich täglich mit vielen Fragen konfrontiert, die weit über betriebswirtschaftliche Zahlen hinausgehen: Wie geht es meinen Mitarbeitenden wirklich? Was brauchen sie, um nicht nur leistungsfähig, sondern auch langfristig gesund zu bleiben? Und wie kann ich selbst Vorbild sein in einer Zeit, in der mentale und körperliche Gesundheit zur zentralen Ressource geworden ist?
Gesundheit ist längst kein Randthema mehr. Sie ist ein Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit – für jedes Unternehmen, jede Organisation und jede einzelne Person. Wir erleben einen tiefgreifenden Wandel, in dem Gesundheit nicht mehr als individuelle Angelegenheit, sondern als strategische Priorität verstanden wird. Wer in Gesundheit investiert, investiert in Menschen – und damit in die Zukunft.
Warum Gesundheit gerade jetzt im Zentrum steht
Die Anforderungen an Arbeitskräfte haben sich verändert. Die Geschwindigkeit der digitalen Welt, die ständige Erreichbarkeit, globale Krisen und wirtschaftliche Unsicherheiten fordern uns alle – mental, emotional und körperlich. Viele Menschen geraten zunehmend an ihre Belastungsgrenzen – oft still, oft unbemerkt.
Gleichzeitig wächst das Bewusstsein: Gesundheit ist kein statischer Zustand. Es ist ein dynamischer, gestaltbarer Prozess – sowohl im persönlichen Leben als auch in der Arbeitswelt.
Hinzu kommen der demografische Wandel und die Aufgabe der Fachkräftesicherung. Die Unternehmen können es sich schlicht nicht mehr leisten, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu vernachlässigen. Die nächste Generation entscheidet sich gezielt für Arbeitsorte, an denen sie nicht nur funktionieren, sondern sich als ganzer Mensch entfalten können – gesund, gesehen, gewollt.
Wie unsere Gesundheit stärken? Der Weg vom Wissen zum Handeln.
Wir leben in einer Zeit, in der Informationen über gesunde Lebensführung leicht zugänglich sind. Ratgeber, Podcasts, Social Media – nie war das Wissen so breit verfügbar. Doch Wissen allein verändert nichts. Zwischen Erkenntnis und Umsetzung liegt oft eine Lücke.
Diese Lücke entsteht nicht aus Mangel an gutem Willen, sondern durch Strukturen, die möglicherweise den wichtigen Blick auf die Gesundheit erschweren. Denn gesund zu leben – und zu arbeiten – ist kein rein individuelles Thema. Es hängt davon ab, in welchen Rahmenbedingungen wir uns bewegen.
Gesundheit beginnt dort, wo Bedürfnisse ernst genommen werden. Wo Pausen nicht als Schwäche gelten. Wo Fehler nicht beschämt, sondern als Lernchancen verstanden werden. Wo der Mensch nicht Mittel zum Zweck ist – sondern als Ziel an sich zählt.
Rollenbilder im Wandel – geteilte Verantwortung statt alter Muster
Lange war das Thema Gesundheit – insbesondere im Privaten – vor allem Frauen zugeschrieben. Sie kümmerten sich um Ernährung, Arzttermine, emotionale Fürsorge. Im beruflichen Umfeld wurde Verantwortung gerne an HR-Abteilungen, Betriebsärzte oder externe Angebote abgegeben.
Doch diese Verteilung ist nicht nur überholt – sie ist riskant. Denn sie verschiebt Verantwortung, statt sie gemeinsam zu tragen.
Heute braucht es ein neues Verständnis von Verantwortung: eines, das nicht auf Rollenklischees aufbaut, sondern auf Augenhöhe. Männer und Frauen, Führungskräfte und Mitarbeitende – alle sind gefragt, Räume und Möglichkeiten für Gesundheit gemeinsam zu gestalten. Nicht als Pflicht, sondern als Ausdruck von Respekt und Fürsorge.
Was Verantwortung für Gesundheit heute konkret bedeutet
Gesundheit wird dort möglich, wo sie mitgetragen wird. Jede und jeder Einzelne ist aufgefordert, die eigene Gesundheit ernst zu nehmen – nicht erst im Krankheitsfall, sondern im Alltag. Durch das Wahrnehmen eigener Grenzen, bewusste Erholung, Bewegung und Achtsamkeit.
Führungskräfte tragen eine doppelte Verantwortung – für sich selbst und für andere. Wer gesund führt, lebt vor, was er oder sie erwartet. Das ist auch die Verpflichtung, sich selbst nicht einem Dauerstress zu unterziehen, sondern Balance anstreben. Nicht einseitig Überstunden als heroische Tat feiern, sondern Regeneration wertschätzen.
Unternehmen müssen Strukturen schaffen, die Gesundheit ermöglichen – nicht als Schönwetterprogramme, sondern als Kulturfrage. Es braucht psychologische Sicherheit, eine sinnstiftende Arbeitsumgebung und Offenheit für Gespräche über Belastung.
Und nicht zuletzt ist auch die Gesellschaft gefragt. Wir brauchen offene Diskurse über mentale Gesundheit, über Pflege, Arbeitszeitmodelle und gesunde Ernährung – ohne Schuldzuweisungen, dafür mit Lösungen.
Gesunde Arbeit beginnt mit gesunder Führung
Gesunde Arbeit ist kein Zufall – sie entsteht dort, wo Führung Verantwortung übernimmt. Als Unternehmerin weiss ich, dass das bei mir selbst beginnt.
Die Art, wie wir führen, wie wir mit Stress umgehen, wie wir aufeinander achten – all das prägt die Gesundheit in einem Unternehmen. Es geht nicht um Perfektion, sondern um bewusstes Gestalten. Um Haltung. Und um die Bereitschaft, Gesundheit als Teil unserer Unternehmenskultur zu begreifen.
Ein Obstkorb allein reicht nicht. Was zählt, ist eine Kultur, in der Eigenverantwortung und Fürsorge zusammenwirken.
Ein gemeinsamer Weg in die Zukunft
Die Zukunft der Arbeit wird nur tragfähig sein, wenn sie auch gesund ist. Das gilt für grosse Konzerne genauso wie für kleine Betriebe. Für Führungskräfte wie für Mitarbeitende. Für Jüngere wie Ältere. Für Männer wie für Frauen.
Gesundheit ist keine Aufgabe einzelner – sie ist ein kollektives Projekt. Und sie beginnt dort, wo Wissen ins Handeln kommt. Dort, wo Arbeitgeber nicht kontrollieren, sondern ermutigen. Wo Mitarbeitende nicht nur funktionieren, sondern mitgestalten dürfen.
Und dort, wo Gesundheit nicht bloss ein Ziel ist – sondern ein gemeinsamer Weg, den wir Tag für Tag gemeinsam gestalten können.
Ulrike Clasen ist Gründerin und Inhaberin von Netzwerk Kadertraining und Vorstandsmitglied bei Work Life Aargau (Public-Private-Partnership zur Wirtschafts- und Standortförderung) und Präsidentin der Vereinigung Christlicher Unternehmerinnen und Unternehmer der Schweiz (VCU).
Dieser Beitrag erscheint auch über die VCU-Kanäle im Zusammenhang mit der Unternehmertagung der VCU Schweiz zum Thema „Gesundheit und Eigenverantwortung vom Wissen zum Handeln“ am 23. und 24. Mai 2025 in Lenzburg.