Forschung der ETH stellt Verständnis von Erdgeschichte auf den Kopf
08 Januar 2025 14:31
Partner
(CONNECT) Geophysikerinnen und -physiker der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und des California Institute of Technology haben mit einem neuen hochauflösenden Modell im Erdinneren offenbar Reste von untergetauchten tektonischen Platten entdeckt. Das Überraschende ist laut einer Mitteilung der ETH, dass sie solche Platten zum ersten Mal in der Wissenschaftsgeschichte in Gebieten fanden, wo sie niemand erwartet hätte.
Sie befinden sich etwa unter grossen Ozeanen oder im Inneren von Kontinenten, also weit entfernt von Plattengrenzen. Nur dort hätte sich im Lauf von Jahrmillionen eine tektonische Platte unter eine andere schieben und damit ins Erdinnere abtauchen können. Bislang waren sie ausschliesslich in sogenannten Subduktionszonen gefunden worden.
Üblicherweise wird die Struktur des Erdinneren mit Erdbebenwellen untersucht. Für diese Studie verwendeten die Forschenden jedoch erstmals nicht nur einen Typ von Erdbebenwellen, sondern alle. Dieses Full Waveform Inversion genannte Verfahren wurde von ETH-Professor und Wellenphysiker Andreas Fichtner in seiner Gruppe entwickelt. Er hat auch den Code geschrieben. Für diese rechenintensiven Analysen arbeitete das Team am Supercomputer Piz Daint am CSCS - Swiss National Supercomputing Centre in Lugano.
Welches Material in dieser Studie gefunden wurde, ist nicht bekannt, auch nicht, was dies für die Dynamik im Inneren der Erde bedeutet. „Das ist unser Dilemma“, so Fichtner. Es sei wie bei einem Arzt, der jahrzehntelang mit Ultraschall den Blutkreislauf untersucht und genau dort Arterien findet, wo er sie vermutet. „Gibt man ihm jedoch ein neues, besseres Untersuchungsinstrument, sieht er plötzlich in der Pobacke eine Arterie, die da eigentlich nicht hingehört. Genauso geht es uns mit den neuen Erkenntnissen.“
Deshalb sollen die Wellen künftig nicht nur die Geschwindigkeit abbilden, mit der sie durch das komplexe Erdinnere rasen. Für noch bessere Modelle, so Studienerstautor und Doktorand Thomas Schouten, „müssen wir uns intensiv mit den Materialeigenschaften befassen, die hinter der Wellengeschwindigkeit stecken“. ce/mm