Wettbewerb als Überlebensfaktor

04 Februar 2025 10:07

Judith Bellaiche sieht grosse Gefahren für den Wettbewerb. Dabei sei dieser gerade mit Blick auf Schweizer KMU die Basis wirtschaftlichen Erfolgs und gesellschaftlichen Fortschritts. Die asut-Präsidentin und Wirtschaftsvertreterin fordert, Handelshemmnissen und Protektionismus entschieden entgegenzutreten.
von Judith Bellaiche

Ein funktionierender Wettbewerb basiert auf Chancengleichheit, Transparenz und einem gesunden Innovationsdruck. Ohne diesen Innovationsdruck würden Unternehmen stagnieren, anstatt sich weiterzuentwickeln. In der Schweiz, wo kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 99 Prozent aller Unternehmen ausmachen und über 60 Prozent der Wertschöpfung generieren, ist ein funktionierender Wettbewerb essenziell. Ein Inbegriff davon sind unsere Hidden Champions: Hochspezialisierte Unternehmen, die ausserhalb des Rampenlichts weltweit führend in ihrer Nische sind. Diese Firmen offenbaren, wie Wettbewerb Innovationen beflügelt – und warum ein Verlust dieses Drucks gravierende Folgen hätte.

KMU sind viel mehr als nur Arbeitgeber: Sie sind Innovationsmotoren, die sich durch Flexibilität und Spezialisierung auszeichnen. Jedes Jahr exportieren Schweizer KMU Waren im Wert von über 120 Milliarden Franken – eine beeindruckende Leistung, die zeigt, wie zentral diese Unternehmen für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sind. Langfristig würde ein Rückgang an Innovation nicht nur zu Umsatzeinbussen führen, sondern auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze hemmen und die Position der Schweizer Wirtschaft auf internationalen Märkten schwächen.


Erodierender Wettbewerb

Genau jener Wettbewerb, der diesen Fortschritt ermöglicht, steht in Gefahr. Laut der Weltwirtschaftsorganisation WTO ist die Anzahl der weltweit eingeführten Handelshemmnisse in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. Dies betrifft insbesondere Zölle, Quotenregelungen und nichttarifäre Barrieren wie technische Vorschriften. Laut WTO-Berichten beispielsweise haben sich technische Handelshemmnisse wie neue Zertifizierungsvorschriften in der Lebensmittel- und Maschinenbauindustrie seit 2015 verdoppelt, was letztlich auch KMU vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz, wo der Wertschöpfungsanteil des Aussenhandels am Bruttoinlandprodukt bei rund 40 Prozent liegt, sind diese Entwicklungen alarmierend. Verstärkt sich dieser Trend – und danach sieht es derzeit aus – werden KMU die Auswirkungen besonders stark spüren. Sie müssen ohnehin mit wenig Ressourcen auskommen, um solche Hindernisse zu überwinden. In hochspezialisierten Nischen droht der Verlust von Marktzugängen. Die Abschottung nationaler Märkte schwächt zudem den Innovationsdruck und den Strukturwandel. Ohne Wettbewerb fehlt der Anreiz, sich weiterzuentwickeln.


Lehren aus der Vergangenheit

Der offensichtlich in Vergessenheit geratene Smoot-Hawley-Act aus den 30-jahren ist ein Paradebeispiel dafür, wie protektionistische Massnahmen eine globale Wirtschaftskrise verschärfen. Ursprünglich als Schutzmassnahme für die heimische Wirtschaft während der Weltwirtschaftskrise gedacht, führten die neuen Zölle zu einer dramatischen Verschärfung der Krise. Aufgrund von Gegenmassnahmen schrumpfte das globale Handelsvolumen um 60 Prozent. Und gerade amerikanische Industrien, die auf Importe oder Exportmärkte angewiesen waren, litten in erheblichem Masse. Gestiegene Kosten für importierte Rohstoffe und sinkende Nachfrage aus dem Ausland führten zu Entlassungen und Werksschliessungen, die Arbeitslosenquote stieg innert dreier Jahre auf 25 Prozent. Der Act zeigte eindrücklich, dass Handelskriege letztlich allen Beteiligten schaden, sowohl den Initianten als auch ihren Handelspartnern.


Gefährlicher Abstiegskampf

Kurzfristig mag die Preisgabe von wettbewerblichen Prinzipien bestimmte Interessen schützen, etwa Arbeitsplätze in einer bestimmten Branche, aber langfristig handelt es sich um einen Abstiegskampf. Durch die protektionistische Politik wird die heimische Industrie ineffizient und technologisch träge, die Abschottung nationaler Märkte führt zur Abhängigkeit von der Inlandproduktion und höheren Produktionskosten. Und mittelständische Unternehmen könnten ihre Führungsposition verlieren. Als weltweit vernetztes Land muss die Schweizer Wirtschaft den geopolitischen Massnahmen entschlossen entgegentreten. Dem allgemeinen Trend der Industriepolitik zu folgen und strukturschwache Industrien zu stützen, sind untaugliche Notpflaster. Ganz in Gegenteil muss die Schweiz ihre internationalen Handelsbeziehungen weiter stärken, Marktchancen verbessern und Handelshemmnisse abbauen. Regulierungsmassnahmen müssen sich darauf beschränken, Bürokratie abzubauen und KMU den Markteintritt zu erleichtern.


Judith Bellaiche ist Präsidentin von asut, dem Verband für Telekommunikation und Digitalinfrastruktur, sowie Vorstandsmitglied des SVC (Swiss Venture Club) und Verwaltungsrätin. Zuvor war sie Geschäftsführerin eines schweizweiten Digitalverbands sowie Nationalrätin. Ihre Karriere umfasst verschiedene Positionen in Wirtschaft und Politik. Sie hat Jura studiert und einen Executive MBA an der Universität St.Gallen (HSG) absolviert.