Unternehmen profitieren von Diversität
06 Mai 2024 15:08
Es macht unternehmerisch Sinn. Dieses Argument allein sollte in der Debatte um Frauen und Diversität in Unternehmen überzeugen. Nicht nur sind gemischte Teams nachweislich erfolgreicher. Je nach Branche ist auch die Kundschaft zu einem hohen Anteil divers und der Kaufentscheid wird oftmals zu mehr als 50 Prozent von Frauen getroffen. Welches Unternehmen würde in den asiatischen Markt einsteigen, ohne Experten beizuziehen? Keines. So sollten Unternehmen auch Diversität wie selbstverständlich bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften berücksichtigen. Ich wünsche mir mehr Sachverstand in Diversitätsfragen – und insbesondere auch mehr Leichtigkeit.
Wird der Mehrwert gesehen, braucht es keine Quote.
Letztlich ist mehr Diversität primär eine Frage des Wollens. Wer den Mehrwert sieht, braucht keine Quote. Und vielleicht wirkt es so, als sei das Angebot etwa an geeigneten Frauen für einen Verwaltungsrat sehr klein. Doch effektiv sind mehr Frauen für Führungspositionen geeignet, als Frauen es sich selbst offiziell zuschreiben. Sie bringen sich nur seltener selbst hierfür ins Spiel. An diesem Punkt müssen sich Frauen an die eigene Nase packen: Manchmal geht es darum, die Dosis an Selbstkritik ein wenig runter- und die Dosis an Selbst- sowie Fremdvertrauen etwas hochzufahren.
Zugegeben – und das weiss ich aus eigener Erfahrung: Es ist nicht immer angenehm, die einzige Frau zu sein in einem teilweise sehr kompetitiven Umfeld. Das Rampenlicht und die damit einhergehende Kritik können unangenehm sein. Und gerade bei VR-Position ist oft der Fall, dass das entsprechende Unternehmen nicht im ureigenen wirtschaftlichen Fachgebiet tätig ist, was die eigene Unsicherheit noch verstärken kann. Dennoch und gerade deshalb kann eine Frau eine gute Verwaltungsrätin oder Verwaltungsratspräsidentin sein. In funktionierenden Boards werden Entscheidungen im Dialog getroffen, externe wie interne Fachmeinungen berücksichtigt und Egos bestenfalls vor der Tür gelassen.
Die Schweiz bietet einen grossen Pool von qualifizierten Frauen.
Bis zum Ende meiner Ausbildung hatte ich das Privileg, mit dem Selbstverständnis durch das Leben gehen zu können, dass mein Geschlecht keinen Unterschied macht. Erst als Gründerin habe ich gemerkt, dass die Wirtschaft anders tickt, aber mein Selbstverständnis nicht verloren. Das ist der Grund, weshalb ich mich heute für das Thema in meinem Netzwerk und auch sonst öffentlich engagiere, obwohl ich mich damit weit ausserhalb meiner Komfortzone bewege. Wir brauchen unbedingt mehr sichtbare Frauen.
Mittel- bis langfristig muss die Politik bei der Infrastruktur ansetzen. Themen wie bezahlbare Kindertagesbetreuung sind wichtig, sie schaffen Optionen; ein Blick in Nachbarländer wie Frankreich zeigt Wege auf. Doch meine Botschaft ist klar: Diversität macht unternehmerisch Sinn und qualifizierte Frauen gibt es in der Schweiz schon heute viele.
Nicole Herzog ist Tech-Entrepreneurin, Business-Angel und Verwaltungsrätin. Nach dem Studium gründete sie mit Partnern das später erfolgreich an Haufe verkaufte IT-Unternehmen umantis (heute Abacus Umantis), zudem ist sie Mitgründerin und Partnerin des Risikokapitalunternehmens B2Venture. Sie ist Verwaltungsrätin etwa von Firmen wie der Maestrani Schweizer Schokoladen AG und VIU Eyewear. Bis zu diesem Frühjahr war sie Verwaltungsratspräsidentin des Software-Unternehmens Sherpany, das im Februar von Datasite aus den USA erworben wurde. Seit 2020 ist sie Vorstandsmitglied des Swiss Venture Clubs und seit 2022 Teil des Innovationsrats von Innosuisse.