Business Schools und Führungskräfte müssen Orientierung bieten
27 Mai 2025 11:41
In Momenten des Umbruchs suchen Menschen bei den Institutionen nicht nur Bestätigung, sondern auch eine Orientierung. Sie wollen wissen, wofür ihre Schulen, Arbeitgebenden und Führungskräfte stehen. Den Wirtschaftshochschulen kommt in dieser Hinsicht besondere Verantwortung zu. Wir sind keine neutralen Beobachter – wir prägen aktiv die Denkweise und den moralischen Kompass der Entscheidungsträger von morgen. Und in der heutigen zerklüfteten Welt bedeutet das, dass wir künftige Führungskräfte darauf vorbereiten müssen, sich in der Komplexität zurechtzufinden, ohne grundlegende Werte aus den Augen zu verlieren.
Unternehmen wenden sich von DEI ab
Im Moment scheint die Unternehmenswelt in den USA sich von Diversity, Equity, and Inclusion (DEI) – auf Deutsch Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – zu entfernen: Google hat die Zielvorgaben für die Einstellung von Mitarbeitenden in Sachen Vielfalt aufgegeben. Walmart und Meta haben ihre DEI-Bemühungen in der Öffentlichkeit zurückgeschraubt. WPP – eine der einflussreichsten Stimmen in der globalen Werbebranche – hat nach politischem Druck die Formulierung „Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion” aus seinem letzten Jahresbericht entfernt.
Europäische Unternehmen, die in den USA tätig sind, blieben von diesem Druck nicht verschont. So haben beispielsweise die führenden Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis ihre Initiativen zur Förderung der Vielfalt bei der Einstellung von Mitarbeitenden zurückgeschraubt. Was vor einigen Jahren noch als strategische Führungsrolle angepriesen wurde, wird nun in einigen Unternehmen als Reputationsrisiko umgedeutet. Einiges davon ist defensiv, angetrieben durch Rechtsunsicherheiten und drohenden Marktausschluss. Einiges davon ist reaktiv, angeheizt durch kulturelle Gegenreaktionen. Aber es ist ein stetiger Rückzug von dem, was viele gerade erst ernst genommen hatten.
Dieser Rückzug ist nicht nur kurzsichtig. Er ist gefährlich. Er untergräbt die erzielten Fortschritte und vermittelt die Botschaft, dass Inklusion entbehrlich ist, wenn sich das politische Klima ändert.
Viele Unternehmen zeigen: Standhaftigkeit ist möglich
Entscheidend ist, dass viele Unternehmen zwar zurückweichen, andere aber standhaft bleiben. In den USA gehören Apple, Costco, Uber, Microsoft und JPMorgan Chase zu denen, die ihr Engagement bekräftigt haben. Auch führende europäische Unternehmen widersetzen sich dem Druck des Weissen Hauses, oft trotz einer starken US-Präsenz. „Nichts hat sich geändert”, sagte UBS-CEO Sergio Ermotti im Februar und betonte, dass der Ansatz des Unternehmens in Bezug auf DEI „nicht von neuen politischen Veränderungen in irgendeinem Land diktiert wird.” Vielmehr sei das Engagement für Vielfalt und Inklusion ein „kulturelles Anliegen, das Teil unserer Unternehmensführung ist.”
Business Schools haben eine Verantwortung
An diesem Wendepunkt können es sich die Business Schools nicht leisten, ihr Engagement für Vielfalt und Integration aufzugeben. Stattdessen müssen wir uns auf die Seite derjenigen stellen, die integrative Führung als moralisches Gebot und wirtschaftlich sinnvoll betrachten. Wenn es unsere Aufgabe ist, Führungskräfte auf Komplexität, Widrigkeiten und den Umgang mit einem schwierigen politischen Umfeld vorzubereiten, dann ist es jetzt der Moment, dies zu beweisen. Aus diesem Grund bedaure ich die Entscheidung der AACSB, der weltweit führenden Akkreditierungsstelle für Wirtschaftshochschulen, „Vielfalt und Inklusion” aus ihren zehn Leitprinzipien und Erwartungen für akkreditierte Schulen zu streichen und stattdessen aufzufordern, sich auf die vage Idee von „Gemeinschaft und Verbundenheit” zu konzentrieren.
Ich habe gelernt, dass es bei der Führung nicht nur darum geht, Turbulenzen zu überstehen. Es geht darum, zu signalisieren, was wichtig ist.
Eingliederung ist keine Frage der USA. Es ist ein Gebot der Führung.
Selbst in einem Land wie der Schweiz, das zumeist als tolerant und fortschrittlich gilt, berichteten uns nicht-weisse Mitarbeitende und Studierende, dass ihre Erfahrungen anders waren. Sie spürten Voreingenommenheit und Ausgrenzung, auch wenn diese subtilere Formen annahmen. Wenn wir unseren Auftrag, globale Führungskräfte auszubilden, ernst nehmen wollten, mussten wir auch ihre Realitäten ernst nehmen.
Also begannen wir, in der gesamten Institution IMD eine integrative Führung zu verankern. Mein Vorgänger Jean-François Manzoni hat den ersten Chief Equity, Inclusion and Diversity Officer des IMD, Josefine van Zanten, hinzugeholt. Diese wurde von einem DEI-Rat unterstützt, der sich aus Fakultätsmitgliedern, Studierenden und Mitarbeitenden zusammensetzte und dem ich als Gründungsmitglied mit Stolz beitrat.
Es hat vier oder fünf Jahre gedauert, bis wir das IMD so weit hatten, dass DEI in viele unserer Aktivitäten eingebettet wurde. Wir haben zahlreiche „IbyIMD”-Artikel und -Whitepapers veröffentlicht: über die Messung von Inklusion, integrative Sprache und Bilder und jüngst auch über Voreingenommenheit in der KI. Wir haben DEI in unsere MBA-, EMBA- und Executive-Programme nicht als Nebenthema, sondern als Führungskompetenz integriert.
Dauerhafte Führung ist nicht nur Selbstdarstellung.
Die momentane Gegenreaktion auf DEI wurde zum Teil dadurch angeheizt, wie schnell die Sprache der Integration allgegenwärtig wurde. Wenn etwas zu einem Firmenslogan wird, besteht die Gefahr, dass es als Selbstdarstellung wahrgenommen und damit verworfen wird.
Deshalb müssen Business Schools weitergehen. Dass bedeutet, dass wir zukünftigen CEOs vermitteln müssen, dass DEI kein Nullsummenspiel ist. DEI ist nicht das Gegenteil von Meritokratie – im Gegenteil, es geht darum, leistungsorientierte Organisationen für alle, wirklich alle, zu schaffen. Chancen-Erweiterung sollte nicht als Bedrohung für diejenigen gesehen werden, die in der Vergangenheit die Macht innehatten. Integrative Führungskräfte setzen sich nicht nur für unterrepräsentierte Stimmen ein – sie beziehen auch diejenigen ein, die sich durch den Wandel verunsichert fühlen.
Dies ist der Test
Wenn ich von MBA-Studierenden oder Teilnehmenden von Weiterbildungsmassnahmen gefragt werde, wie sie in diesem Umfeld über DEI nachdenken sollen, rate ich ihnen, sich mehr auf ihre Werte und weniger auf Politik zu konzentrieren. Stellen Sie Teams zusammen, die die Welt widerspiegeln, der Sie dienen. Schaffen Sie Kulturen, in denen sich die Menschen zugehörig fühlen.
Die Rolle der Business Schools: den Kurs beibehalten
Die Welt braucht keine Führungskräfte, die auf einen Konsens warten. Sie braucht Führungskräfte, die sie gestalten. Wir sind nicht hier, um zu lehren, was in Mode ist – wir sind hier, um Führungskräfte darauf vorzubereiten, bessere Organisationen und damit auch eine bessere Welt aufzubauen. Wirtschaftshochschulen haben die Aufgabe, prinzipientreue, zukunftsfähige Führungskräfte auszubilden. Diese Aufgabe ist unvereinbar mit der Abkehr von einem Engagement für Vielfalt und Integration, wenn es politisch unbequem zu werden scheint.
Aus diesem Grund werden wir beim IMD keine Abstriche machen. Denn Inklusion ist kein Schlagwort. Es ist eine langfristige Investition in Vertrauen, Leistung und menschliches Potenzial. Und weil integrative Führung kein Nice-to-have ist. Es ist der Unterschied zwischen der Führung eines Teams und der Inspiration eines Teams.
David Bach ist Präsident des International Institute for Management Development (IMD), Nestlé-Professor für Strategie und politische Ökonomie sowie als Experte für die Managementausbildung bekannt. Er übernahm die Präsidentschaft des IMD am 1. September 2024 und war zuvor IMD-Dekan für Innovation und Programme.
Dieser Text ist ebenso über IMD-Kanäle erschienen.