Schweizer KMU brauchen Antwort auf geopolitischen Umbruch
Die Welt erlebt einen epochalen Umbruch wie zuletzt am Ende des Kalten Krieges. Die doppelte Herausforderung von Corona-Pandemie und Ukrainekrieg beendet die Zeit der weltweit freien Märkte und der Globalisierung. Unabhängig vom Ausgang des Ukrainekrieges: Die Welt kehrt nicht zur Zeit vor dem März 2020 zurück, als ein Land nach dem anderen seine Wirtschaft in den sogenannten Lockdown geschickt hat.
Dieser Umbruch trifft die Schweizer Wirtschaft besonders hart, ist sie doch wie kaum eine andere exportorientiert und global ausgerichtet. Der Notfallmodus, in den die Schweizer KMU vor zwei Jahren gewechselt sind, wird zum Dauerzustand.
Schweizer KMU werden schon heute von stockenden oder gar unterbrochenen Lieferketten betroffen: Auf den Weltmeeren herrscht Stau, die Hersteller von Chips können die Nachfrage nicht befriedigen.
Jetzt brechen ganze Märkte weg: Russland existiert als Markt nicht mehr und wird so schnell nicht in die Weltwirtschaft zurückkehren. Die Ukraine fällt als verlängerte Werkbank Europas und als IT-Hub aus. China hat sich in den Corona-Jahren abgeschottet. Wird der einstige Zukunftsmarkt seinen Glanz wiedergewinnen?
Die Doppelkrise stellt Selbstverständlichkeiten in Frage: Wird es künftig noch genügend Energie für alle und für das ganze Jahr geben? Kommt das täglich Brot auch ohne den Weizen aus Russland und der Ukraine auf den Tisch?
Jedes Unternehmen muss auf den nun beginnenden Umbau der Weltwirtschaft reagieren. Dieser bietet aber auch Chancen. Die wichtigste: Der Umbau betrifft alle. Jedes Unternehmen muss sich umschauen, ob es neue Zulieferer braucht, neue Märkte oder sogar neue Produkte und Dienstleistungen. Damit werden völlig neue Beziehungen zwischen Unternehmen selbst unterschiedlicher Branchen möglich. Völlig neue Wertschöpfungsketten werden geknüpft.
Damit ein Unternehmen an dieser Neuordnung der Märkte und Lieferketten teilnehmen kann, muss es sichtbar sein, weit über seine bisherigen Kunden und Partner hinaus. Es muss proaktiv zeigen, was es kann und was es macht, damit andere Unternehmen sie in ihre Planungen einbeziehen können. Nur wenn Schweizer KMU die Phantasie der anderen anregen, haben sie eine Chance in der Wirtschaft der Zukunft.
Viele Schweizer Unternehmen stecken in einem strukturellen Schlummerzustand. Sie funktionieren hierarchisch, bürokratisch, auf Absicherung des Erreichten geeicht. Viele Unternehmen haben im Dauererfolg der Vergangenheit auf Autopilot gestellt.
Das gilt auch für die Unternehmenskommunikation: Viele Unternehmen schicken Medienmitteilungen in eine Welt, in der es kaum noch klassische Medien gibt, die sich für KMU interessieren. Sie geben viel Geld für Werbung in Social Media-Kanälen aus, die irgendwo bei den hunderten Millionen Nutzern von LinkedIn bis TikTok versickert.
Wer jetzt nicht auf strategische Führung umschaltet, hat verloren. Strategische Führung beginnt mit Kommunikation: Wenn Ihr Unternehmen draussen in der Welt nicht sichtbar ist, dann nimmt es an der Neuordnung der Lieferketten nicht teil.
Steffen Klatt ist Geschäftsführer der Nachrichtenagentur Café Europe, die auch die Plattform punkt4.info und zusammen mit dem Verband swiss export die englischsprachige Plattform swisstrade.com betreibt. 2018 ist im Verlag Zytglogge sein Buch „Blind im Wandel. Ein Nationalstaat in der Sackgasse“ erschienen.